BÜCHERORT / PHILIPP- SCHAEFFER-BIBLIOTHEK

Von Nele Brönner

Der zweite Bücherort, den ich in Berlin besuche, ist die Philipp-Schaeffer-Bibliothek in Mitte – gegenüber dem Weinmeisterpark, direkt neben der Polizeiwache. Ich besuche Frau Bigalke, die vor kurzem die Leitung der Kinder- und Jugendabteilung der Bücherei übernommen hat.

Philipp-Schaeffer-Bibliothek, die Treppe zur Kinderliteratur

Die Bibliothek im Quergebäude der Brunnenstraße 181 wurde 1996 um den Industriehof erweitert und ist nun ein helles, facettenreiches Gebäude. Eine kubische Treppe aus Sichtbeton führt mich nach unten zu den Kinder- und Jugendbüchern. Dort werde ich von einem Regal voller Hörbücher empfangen. „Literatur ist nicht an das Medium Buch gebunden“, sagt Frau Bigalke. Ich nicke – nein, natürlich, denkt man ja manchmal aus Versehen.

Es gibt Filme, Musik und Hörspiele zum Ausleihen, es gibt öffentliche Computer und Spielkonsolen zur Nutzung vor Ort. Im Erdgeschoss wird derzeit ein Maker Space eingerichtet. Der Schwemme an viel zu teuren und viel zu hippen Coworking-Orten setzt die Bibliothek freie Arbeitsplätze für jede und jeden entgegen. Die Räume sind still und sonnig. Arbeitsatmosphäre stellt sich ein, bevor ich mich überhaupt hingesetzt habe. Für trockene Tage gibt es einen Lesegarten im Innenhof.

Im Bilderbuchbereich gibt es offene Bücherkisten, die kleinen Kindern die freie Auswahl ermöglichen. Die verwinkelte Architektur des Gebäudes bietet Nischen und stille Winkel, um mit Büchern alleine zu sein. Doch der schönste Leseort in der Kinderbibliothek ist der große Lichthof – dort sitzen Teenager oder Eltern mit Kindern auf Sitzsäcken und lesen.

Aber es gibt nicht nur die Räume und Medien. Gerade der Lichthof ist der ideale Ort für Lesungen und Buchvorstellungen. Dort können Verlage ihre Neuerscheinungen zeigen, die anschließend in den Bestand der Bibliothek übergehen.
Frau Bigalke breitet ein beeindruckendes Veranstaltungsprogramm vor mir aus. Für PädagogInnen, Studierende und alle Interessierten bietet die Stadtbibliothek Führungen und Fortbildungen an, die „Geheimnis Bilderbuch“ heißen. Kitas und Schulklassen kommen zu Besuch. Jeden Monat wird ein neues Bilderbuch ausgewählt und von den Mitarbeiterinnen der Kinderbuchabteilung spielerisch umgesetzt. Wertschätzung von Büchern und Freude am Lesen sind Vermittlungsziele der Bibliothek, ebenso wie die Fähigkeit, Geschichten weiterzuspinnen und die eigene Vorstellungskraft zu trainieren.

Betonhöhle unter der Treppe

In einer Betonhöhle unter der Treppe, der etwas Sakrales anhaftet, hängen viele kleine Zeichnungen an Schnüren. Kinder haben gemalt, welches Tier sie wären, könnten sie sich verwandeln.

Wenn-ich-ein-Tier-wäre-Zeichnungen


Dreimal die Woche können Kinder sich bei den Hausaufgaben helfen lassen oder bekommen in Kooperation mit Lesewelt Berlin e.V. vorgelesen. Für die, die selber lesen, gibt es einen jährlichen Vorlesewettbewerb. Die Bibliothek tut viel. Rund ums Jahr gibt es ein reiches Programm, viele Gäste und Gastveranstaltungen. Kann ein solcher Ort nicht still und alleine für sich existieren? Reicht es nicht, wenn die Bücher einfach nur in den Regalen warten? Müssen sie vermittelt werden? „Ja, das müssen sie!“, sagt Frau Bigalke. „Im Grunde ist alles, was wir hier tun, Leseförderung. Und auch die vielen, vielen Angebote sind nötig. Wir müssen uns was einfallen lassen, um einen öffentlichen Raum dieser Größe mit Leben zu füllen.“

Ich erlebe die Bibliothek in der Brunnenstraße als weitläufigen Bücherort, mal ruhig, mal lebendig, gleichzeitig einladend und in sich geschlossen. Mitten in der Stadt und doch außerhalb von allem. Es kam mir vor, wie ein Besuch in einem Kokon oder einem sehr großen Schiff. Ein Schiff voller Bücher.

Geöffnet ist die Philipp-Schaeffer-Bibliothek montags bis freitags
von 10.00 – 19.30 Uhr und samstags von 10.00 – 14.00 Uhr
Wer vorher wissen möchte, was es gerade an Veranstaltungen gibt, kann online nachschauen: https://www.berlin.de/stadtbibliothek-mitte/bibliotheken/bezirkszentralbibliothek-philipp-schaeffer/services-angebote/