Über Autor*innenschaft und Elternschaft

Von Lena Hach

Illustration: © Miriam Zedelius


OTHER WRITERS NEED TO CONCENTRATE – so der schöne Name des noch schöneren Blogs, der sich vor allem einer Frage widmet: Welchen Einfluss haben Kinder auf das Schreiben? Ausgedacht haben sich das Ganze Katharina Bendixen, Sibylla Vričić Hausmann und David Blum, allesamt AutorInnen aus Leipzig mit einschlägigen Erfahrungen „in Sachen Kind“. Schon lange vor dem Entstehen der Internetseite waren die drei im Austausch über die spannende Ausgangsfrage, die sie nun auch öffentlich stellen – und dank zahlreicher Gastautor*innen immer wieder neu beantworten. Ich wollte mehr über die Hintergründe wissen und habe zwei der InitiatorInnen um ein Interview gebeten.

Der Name eurer Seite hat mich gleich neugierig gemacht. Könnt ihr berichten, welche Geschichte dahintersteckt?

Katharina: „And sorry to tell you that we do not accept little kids as it really troubles other writers who need to concentrate“, das stand in einer E-Mail von einem Künstlerhaus, als ich dort angefragt habe, ob ich zu einem Aufenthaltsstipendium mit Familie anreisen darf. Es war in ziemlich kurzer Folge das dritte Stipendium, das ich absagen musste, weil Kinder nicht erwünscht sind, und diese E-Mail war der Anlass, die Internetseite einzurichten.

Wenn man mal davon ausgeht, dass sich auch schreibende Eltern hin und wieder konzentrieren müssen: Was sind dabei die besonderen Herausforderungen? Und wie gelingt es ihnen – vielleicht trotz allem?

Sibylla: Ich kann meist nur schreiben, wenn die Kinder nicht da sind oder schlafen. Zumindest wenn wir zu Hause sind, in unserer kleinen Wohnung. Die Nähe der anderen und die Befürchtung, eigentlich gerade von ihnen gebraucht zu werden, hemmen mich. Nur an Deadline-Tagen, an denen ich sehr fokussiert bin, geht’s auch manchmal mit Familiengeräuschen im Hintergrund und gelegentlichem Reinplatzen.
Katharina: Ich finde es schwierig, angesichts der vielen kleinen Ablenkungen, die das Familienleben mit sich bringt, die Ruhe zum Schreiben zu finden. Eine weitere Herausforderung ist für mich die finanzielle Unsicherheit meines Lebensmodells und die Frage, wie gut sich das mit der Verantwortung für Kinder verträgt. Ich merke, dass das meine Konzentration vor allem in letzter Zeit ganz schön beeinträchtigt.

Warum ist es aus eurer Sicht so wichtig, gerade über die Verbindung von Elternschaft und Autor*innenschaft zu sprechen? Ich kann mir vorstellen, dass Kritiker*innen vielleicht formulieren würden: Aber Leute mit anderen Berufen haben doch auch Kinder! Oder: Auch ohne Kind ist Schreiben herausfordernd!

Katharina: Das stimmt, und vermutlich sind kinderlose Autorinnen – eher die Frauen, fürchte ich – auch Diskriminierungen ausgesetzt. Und ich kenne tatsächlich nur wenige wirklich familienfreundliche Berufe. Aber der Autor*innenberuf erfolgt ja oft sogar noch neben der Lohnarbeit. Wenn dann auch noch Care-Arbeit hinzukommt, wird es mit der künstlerischen Tätigkeit einfach sehr schwierig.
Sibylla: Und es gibt diese hartnäckigen Vorstellungen, wie eine schreibende Frau oder ein schreibender Mensch im Allgemeinen zu sein hat: ungebunden zum Beispiel.

Mein eigenes Schreiben ist, seit ich Mutter bin, auf jeden Fall ein anderes geworden. Früher – und damit meine ich die Zeit vor Kind(ern) – „konnte“ ich nur am Morgen schreiben. Das hat sich ziemlich schnell geändert: Bald habe ich geschrieben, wann immer Zeit „übrig“ war, und kam mir deutlich effizienter dabei vor. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

Sibylla: Ja. Ich habe erst ernsthaft zu publizieren begonnen, als ich schon Mutter war. Ich fühle mich heute allgemein produktiver, auch wenn ich weniger Zeit habe. Natürlich nur, wenn ich nicht zu arg erschöpft bin.
Katharina: Ich habe bereits vor der Geburt der Kinder publiziert, und obwohl ich früher schon sehr strukturiert war, bin ich dadurch noch strukturierter geworden. Diese Gedanken sind aber etwas, was mich auch schon wieder nervt – wie sehr man die Elternschaft darauf abklopft, ob sie vielleicht das Arbeitsleben effizienter macht. Das sagt ja auch schon etwas aus.

Und wie sieht es mit den anderen aus? Als Redakteurinnen habt ihr wahrscheinlich alle Beiträge im Blick. Gibt es bestimmte Themen oder Motive, die sich wiederholen – etwas, das alle schreibenden Eltern vereint?

Katharina: Ein wiederkehrendes Motiv ist sicher die Zerrissenheit zwischen den Kindern und dem Schreiben. Franziska Gerstenberg hat in einem Beitrag geschrieben: „Ich weiß aus Erfahrung, dass ich, wenn ich länger nicht an meinem Roman gearbeitet habe, keine bessere Mutter werde, sondern eine schlechtere.“ Und Kirsten Fuchs schrieb: „Freizeit heißt für mich, Zeit zu haben, um zu arbeiten. Verrückt, oder?“ Das sind wahrscheinlich zwei Aussagen, die die meisten Autor*innen des Blogs unterschreiben würden. Es gibt aber in den Beiträgen eine große Spannbreite, die beispielsweise damit zu tun hat, ob man die Kinder alleine erzieht oder auch von der Konstellation als Paar abhängt. Es ist ein großer Unterschied, ob der Partner oder die Partnerin ebenfalls künstlerisch tätig ist oder ganz im Gegenteil der Hauptverdiener, sodass die Care-Arbeit vom schreibenden, also weniger verdienenden Elternteil geleistet wird.

Und welche Erkenntnisse lassen sich aus all dem ziehen? Was brauchen schreibende Eltern?

Sibylla: Auch das ist – wie die Familien- und Paarkonstellationen – sehr individuell. Auf jeden Fall passgerechte Fördermodelle, Veranstaltungs- und Vernetzungsmöglichkeiten, die für Eltern funktionieren, ein allgemeines Umdenken bezüglich des Autor*innenbilds. Aufwertung von Themen wie Elternschaft und Geburt in der Literatur. Und natürlich brauchen schreibende Eltern Humor, Selbstbewusstsein, Durchhaltevermögen.

Das Tolle an eurer Seite ist ja auch: Es ist mehr als ein Blog. Zum Beispiel finden sich dort Empfehlungen zu familienfreundlichen Aufenthaltsstipendien. Was würdest du sagen: Für wen ist eure Seite gemacht, wen wünscht ihr euch als Leser*innen?

Sibylla: Vor allem für Autor*innen mit Kindern, zur Ermutigung und Vernetzung – und für Menschen, die den Literaturbetrieb gestalten, als Anregung für neue Formate.
Katharina: Für das Blog wünsche ich mir aber auch Leser*innen aus anderen beruflichen Zusammenhängen. Dass die Arbeitswelt nicht familienfreundlich ist, ist ja kein Alleinstellungsmerkmal des Literaturbetriebs, und vielleicht kann es durch die Beiträge sogar noch einen weiterführenden Austausch geben.

Was wünscht ihr euch sonst, habt ihr – von dem Austausch einmal abgesehen – eine Mission?

Sibylla: Unsere Mission ist die Modernisierung eines Literaturbetriebs, der im letzten Jahrhundert für Menschen ohne familiäre Einbindung eingerichtet worden ist – vor allem für Männer, deren Kinder von anderen betreut werden.