Die 10 häufigsten AutorInnen-Ärgernisse

© Till Hülsemann

Von Salah Naoura

Als ich Anfang der Neunzigerjahre im Lektorat eines Kinderbuchverlages zu arbeiten begann, nahm mich dort gleich in den ersten Tagen eine sehr nette, ältere, erfahrene Chefsekretärin beiseite und sagte: „Herr Naoura, denken Sie an die Freiberufler, die Übersetzer, Illustratoren und Autoren. Die brauchen ihr Geld und ihre Verträge. Diese beiden Dinge dürfen Sie also nie auf die lange Bank schieben.“ Ein guter Tipp. Heute bin ich selber Freiberufler und fluche nicht selten darüber, dass es solche erfahrenen Chefsekretärinnen, die freundlich an uns denken, in vielen Verlagen nicht mehr zu geben scheint. Mit welchem Kollegen oder welcher Kollegin auch immer man sich austauscht, immer gleichen sich die Probleme, die wir haben. Höchste Zeit daher, die
10 häufigsten AutorInnen-Ärgernisse mal öffentlich zur Diskussion zu stellen:

1.) „Der Vertrag muss noch unterschrieben werden und kommt dann demnächst …“

Diejenigen Verlagsmitarbeiter, die einen Vertrag unterschreiben könnten, sind immer gerade im Urlaub, weshalb wir mit der Arbeit ruhig schon mal beginnen sollen. Oft tun wir es und bekommen den Vertrag dann irgendwann nach Abgabe oder Erscheinen. Und irgendwann danach auch schon den Vorschuss …

2.) „Honorare können wir leider erst nach Vertragsunterzeichnung auszahlen …“

Manche Verlagsleute glauben nicht, dass Menschen, die frei arbeiten, in dieser Zeit Geld benötigen. Eine Programmleiterin wunderte sich über einen Autor, der ohne Vertrag und Vorschuss nicht beginnen wollte. Freiberufler müssten mit zuvor verdientem Geld das gerade laufende Projekt vorfinanzieren, erklärte sie ihm. Vorkasse gäbe es in keiner anderen (ihr bekannten) Branche. Sie selber bekomme ihr Gehalt ja auch immer erst am Monatsende.

3.) „Oh, da haben wir versehentlich den falschen Vertrag geschickt.“

Die Vertragsverhandlungen haben Monate gedauert, nun kommt endlich der Vertrag – leider mit den falschen Konditionen. Oder man möchte einen Anschlussvertrag nach dem Muster des vorherigen – und erhält den Standardvertrag ohne die vereinbarten Änderungen. Hofft der Verlag auf eine plötzliche Erblindung?

4.) „Sie erreichen mich nächsten Monat wieder.“

Der Klassiker: Man hat Nachtschichten eingelegt, um den gewünschten Abgabetermin einzuhalten, drückt mit roten Augen auf „Senden“ … und erhält eine Abwesenheitsnotiz.

5.) „Ihr Misstrauen uns gegenüber ist sehr, sehr traurig.“

Man lässt sich neuerdings von einem Agenten oder einem Anwalt vertreten? Viele Lektoren und Verleger beklagen den zunehmenden „Vertrauensverlust“. Wieso Verlust? Welches Vertrauen? Ginge es um Vertrauen, bräuchte man keine Verträge. Verlage haben Vertragsabteilungen. Wir nun auch.

6.) „Wir haben uns für folgenden Titel entschieden …“

Der Titel ist die Seele eines Buches. Wer später nicht um diese arme Seele weinen will, muss Vorsorge treffen. Und eigentlich sollten Verlage den Passus „Den Titel bestimmt der Verlag“ abschaffen – er ist aus Autorensicht so unmenschlich und grausam wie eine Kindesentführung.

7.) „Wir finden dieses Cover sehr gelungen!“

Die Figuren sind nicht wiederzuerkennen, das Motiv trieft vor Kitsch, und im Rückentext steht etwas zum Inhalt, das selbigen verschleiert? Dann handelt es sich um eine Mogelpackung oder Umetikettierung aus Marketinggründen. Dein Buch ist fertig und nur du weißt, dass man es so, wie es eigentlich ist, für den Käufer nicht zumutbar findet. Tolles Gefühl.

8.) „Machen Sie doch mal!“

Werbung? Marketing? Immer gern. Machen Sie doch mal. Posten Sie ein selbst gefilmtes Video auf youtube, machen Sie mehr Lesereisen. Lesen Sie gratis auf der Messe. Lassen Sie uns die erste Auflage Ihres neuen Buches an Schüler verschenken … Dabei dachten wir AutorInnen immer ganz naiv, unsere Arbeit sei das Schreiben und unsere Bücher würden dann verkauft.

9.) „…“

Leider sehr verbreitet und von vielen AutorInnen beklagt: Der Verlag hat ein wirklich dringendes Anliegen, und man reagiert mit der gebotenen Eile. Ist es aber einmal umgekehrt und hat man selbst ein dringendes Anliegen, herrscht plötzlich Schweigen. Es kommt weder eine Abwesenheitsnotiz noch eine Antwort noch die Ankündigung einer Antwort. Im Extremfall über Wochen.

10.) „Muss die Mutter so genervt sein?“

Im Prinzip ist dein Buch sehr schön, findet das Lektorat. Nur die Mutter ist zu genervt, der Vater trinkt zu viel, das Kind flucht und die Oma sollte auch mal lachen. Und ein Hund in der Familie wäre schön. Und ein Urlaub. Dann schreibst du alles um, und einen Monat später kommt im selben Verlag dann ein amerikanisches, mit Preisen überhäuftes Buch heraus, in dem die Mutter genervt ist, der Vater zu viel trinkt, das Kind flucht und die Oma niemals lacht. Es gibt auch keinen Hund und keinen Urlaub. Und alle finden dieses Buch hervorragend.