Beim Gestalten auf Reisen gehen …

Über illustrierte Stadtpläne und Landkarten

Von Ulrike Jensen, Illustratorin 

© Foto: Juli Marie Jensen / patagonia Berlin 2020


Welcher kreativ Schaffende kennt das nicht? Wir begeistern uns für etwas und möchten es einmal selbst probieren. Landkarten mochte ich schon als Kind und sammelte Postkarten von handgezeichneten Land- und Inselkarten (Alfred Hoppe/1970er Jahre) von Hiddensee, dem Harz oder der Sächsischen Schweiz. Im Familienurlaub zeichnete ich Lagepläne der besuchten Burgen oder der Umgebung in mein Ferienbuch. Diese Faszination entdeckte ich vor ein paar Jahren wieder und gestalte seitdem Inselkarten, Stadt- und Kiezpläne mit Orientierungszweck, sowie illustrierte Karten für Marken, die darüber bestimmte Inhalte ihrer Markenidentität visualisieren.

Was reizt mich an illustrierten Plänen und Landkarten? Inhaltlich das raumbezogene Verorten von Gebäuden und Wahrzeichen, das Herunterbrechen von Informationen und die Konzentration aufs Wesentliche. Architektur und Stadtlandschaften interessieren mich und die Sicht von oben. Gestalterisch ist das Zusammenspiel von Illustration, Typografie/Lettering und Kartografie sehr spannend. Durch die Arterien einer Stadt (Straßen, Flüsse und Bahnlinien) entsteht eine dynamische grafische Eigenheit auf gezeichneten Stadtplänen.

 © Ulrike Jensen, Grafik Marie Bauer / QM Rollbergkiez, 2021

Gern setze ich Lettering, also handgeschriebene Buchstaben, ein. Lettering wirkt sehr individuell und bringt Charakter in illustrierte Stadtpläne. Diese Kernelemente gestalte ich im organischen Miteinander. Auch arbeite ich gern mit Größenunterschieden – da kann eine Figur mal so groß wie ein Gebäude sein – um Spannung hineinzubringen. Lokalkolorit muss natürlich auch dazu. Für eine illustrierte Ostseeinselkarte wollte ich gern Badende am FKK-Strand zeichnen, weil das für mich, seit ich denken kann, typisch Ostsee ist. Der Verlagsleiter schmunzelte und ließ mich gewähren.

Wie genau arbeite ich? Ist bei Kiezplänen starke Orientierung und die Wiedererkennbarkeit von Gebäuden gewünscht, halte ich mich an Vorgaben durch Straßen und Häuserblöcke und zeichne Gebäude isometrisch. Dann ist der Arbeitsaufwand recht hoch, je nach Umfang des Gebietes. Ist die illustrierte Landkarte eher eine Übersicht, wie bei einer Inselkarte, dann kommt es auf die Atmosphäre an. Im besten Fall bekommt der Betrachter Lust die Insel zu erkunden und hat schon etwas Meeresrauschen im Ohr.

© Ulrike Jensen / Kunst und Bild Verlag, 2018


Bei den illustrierten Karten für Marken, die ich bisher plakativ und eher künstlerisch gestalten konnte, arbeite ich reduziert, was mir besondere Freude macht.

Um den Aufwand überschaubar zu halten, arbeite ich mit Fotos und Vorlagen von Google Maps sowie Earth. Kein illustrierter Stadtplan ist 100% akkurat, alles ist ein bisschen schief und manchmal stimmen die Perspektiven nicht genau. Das jedoch macht ja den Charme dieser Art der Pläne aus.

© Ulrike Jensen, Skizzen


Nach dem Briefing zeichne ich grobe Skizzen auf Blätter, wo ich alle Ideen sammle. Mein Zeichentisch ist digital, alles liegt herum, wie auf einem physischen Schreibtisch. Stapelweise Elemente, Flächen und Figuren liegen in halbsortierten Ebenen des Programms übereinander. So kann ich diese Schnipsel relativ flott schieben, dublizieren oder verdrehen. 

Meine illustrierten Stadtpläne und Landkarten sind für alle. Kinder spielen dabei eine wichtige Rolle: gezeichnet im Familienkreis, spielend in der Natur, rennend durch den Kiez, in der Kita oder am Meer im Sand oder auf einem Spiel- oder Fußballplatz. Das ist überhaupt das Schönste: Häuserzeilen, Plätze und Dächer und »leere« Stellen mit Leben zu füllen. Während dieser Phase des Gestaltens reise ich zu den Orten und Stellen, wo ich all die gezeichneten Figuren platziere. Fast so wie echtes Reisen. Das ist in dieser Pandemie Zeit auf jeden Fall sehr abwechslungsreich. 

PS: Illustrierte Landkarten sind etwas Wunderbares, für alle und besonders für Kinder. Diese Kindersachbücher finde ich sehr gelungen:

– Landkartenbuch: »Alle Welt«, Moritz
– Flussatlas: »Die großen Flüsse der Welt«, Gerstenberg
– Alle Bundesländer: »Deutschland – Alles, was du wissen willst«, Carlsen
– Drachen, Monster und Vampire: »Atlas der Fabelwesen«, Prestel