Von Salah Naoura
In diesem Jahr gehen die Sonderpreise des Deutschen Jugendliteraturpreises an zwei Übersetzerinnen (herzlichen Glückwunsch an die Kolleginnen Gudrun Penndorf und Lena Dorn!), was löblich und folgerichtig ist, da der Deutsche Jugendliteraturpreis als internationaler Preis sein besonderes Augenmerk
auf den interkulturellen Austausch legt. Und hierzu leisten Übersetzer und Übersetzerinnen mit ihrer Arbeit als sprachliche Brückenbauer schließlich den entscheidenden Beitrag.
Weniger nachvollziehbar ist die Würdigungspraxis in den fünf Kategorien des DJLP. In den Jurybegründungen nominierter oder prämierter Lizenztitel wird die Arbeit der Übersetzer*innen mal erwähnt und mal nicht, mal mit nichtsagenden Halbsätzen bedacht, mal ausführlicher und mit wohl gewählten Worten hervorgehoben. Mir ist bis heute nicht klar, ob der DJLP Übersetzer*innen in den Kategorien Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch und Jugendjury auszeichnet, weil sie die prämierten Bücher rein zufällig übersetzt haben, oder ob man hier ausdrücklich auch die Qualität der Übersetzung auszeichnen will. Ein persönliches Beispiel: In den Jahren 1992 und 2013 wurden zwei von mir übersetzte Titel (einmal ein Bilderbuch, einmal ein Kinderbuch) mit dem DJLP ausgezeichnet. Ich erhielt Urkunden und Preisgeld, meine Arbeit hingegen kam in den beiden Jurybegründungen einfach gar nicht vor.
Dieses Jahr nun war ein von mir übersetztes Bilderbuch nominiert, und die Jury lobte die klare Sprache der Autorin, „von Salah Naoura schnörkellos übersetzt“. Was mag das wohl bedeuten?
Es klingt wie der wenig überraschende Befund, dass ich beim Übersetzen keine Schmuckwörter hinzugefügt habe. Und was ist mit Bernadette Ott, der Übersetzerin des diesjährigen Gewinners in der Kategorie Bilderbuch? Ihr Name wird in der Jurybegründung nicht einmal erwähnt.
Zu einer Würdigung gehören für mein Empfinden nicht nur klare Worte der Jury bezüglich der Qualität einer Übersetzung, auch eine Einladung (dann aber bitte im wortwörtlichen Sinne) zur Verleihung wäre nett. Zwar erhielt ich vom Arbeitskreis für Jugendliteratur in diesem Jahr eine „herzliche Einladung“ zur Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse, die Kosten hierfür könnten leider jedoch nicht übernommen werden. Ich könne ja meinen Verlag fragen, ob er dafür aufkäme. Mal davon abgesehen, dass Übersetzer*innen (die, erst recht im zweiten Pandemiejahr, bekanntermaßen nicht zu den Besserverdienenden gehören) sicher ungern ihre Verlage anbetteln, ist mir unbegreiflich, weshalb es beim DJLP keinen Etat dafür gibt, Nominierte an einer Preisverleihung teilnehmen zu lassen. Auch das Organisieren einer Unterkunft sollte nicht Sache der Nominierten oder ihrer Verlage sein, sondern gehört in die Hände des Ausrichters dieses Preises.
Die Erfahrung, nicht erwähnt zu werden und damit Urheber*in zweiter Klasse zu sein, machen auch Illustrator*innen häufig. Besonders stark davon betroffen ist die Literatur für Erstleser, was umso mehr verwundert, als hier Bild und Text ähnlich wie im Bilderbuch gleichberechtigt sind und sich optimal ergänzen müssen, um die Leerstellen der reduzierten Sprache mit bildsprachlichen Mitteln aufzufangen. Preise, die Erstlesebücher auszeichnen, blicken oft nur auf den Text. Manche Verlage sehen immer noch keine Notwendigkeit, den/die Illustrator*in auf dem Cover ihrer Bücher für Leseanfänger zu nennen. Und der neue Deutsche Kinderbuchpreis, der den Autor oder die Autorin eines einzigen „besten Buches“ mit einem Rekordpreisgeld von 100 000 € überhäuft, lässt die Illustrator*innen gar völlig unberücksichtigt, obwohl dieser Preis Bücher für jüngere Kinder auszeichnet, die grundsätzlich illustriert werden.
Dabei ist klar: Herausragende Bücher (sofern es sich nicht um deutschsprachige Kinder- oder Jugendromane ohne Illustrationen handelt) verdanken ihre ganz besondere Qualität immer
einem außergewöhnlich gut gelungenen Zusammenspiel mehrerer Urheber*innen. Gute Illustrator*innen erzählen Geschichten in ihrer ganz eigenen Bildsprache weiter oder sogar
neu. Gute Übersetzer*innen (er)finden einen eigenen Ton, um die sprachlichen Qualitäten von Autor*innen in der jeweiligen Zielsprache zum Klingen zu bringen. Es ist an der Zeit, all diese Kreativen im Literaturbetrieb würdevoll zu würdigen. Auf den Covern und Webseiten der Verlage, in der Presse und erst recht durch die Jurys und Veranstalter von Literaturpreisen.