10 Fragen an unsere SpreeautorInnen: Johanna Lindemann

Foto: © Doris Spiekermann-Klaas

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Name: Johanna Lindemann
geboren in: Lauterbach (Hessen)
seit wann in Berlin: von 1996 bis 2021, seitdem pendelt sie zwischen Scharmbeckstotel (bei Bremen) und Berlin
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1. Was sind die drei Lieblingsbücher deiner Kindheit?

 „Merkwürdige Geschichten von Sebastian Kahn, seinem Schwein, seinem Hund und seinen beiden Katzen“ von Stanley Goldberg, Victoria Chess und Hildegard Krahé.

„Ronja Räubertochter“ und „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren

2.  Wie kam es zu deinem Berufswunsch Autorin – und wie bist du es geworden?

Ich hab schon als Grundschülerin Wörter gesammelt, Geschichten geschrieben und bei Schreibwettbewerben mitgemacht. Leider hat mir in der 8. Klasse eine erörterungsbesessene Deutschlehrerin die Freude am freien Schreiben ausgetrieben. Ich bin dann erst mal Werbetexterin geworden und fand es super, für Blödsinn-Ausdenken auch noch so viel Geld zu bekommen. Die Sehnsucht, eigene Texte zu schreiben, blieb all die Jahre, und so habe ich zuhause für mich geschrieben. Lange Jahre war ich dann die sogenannte „Freundliche Diktatorin“ eines großen Berliner Internetforums für Nachtleben und anderen Quatsch. Diese Machtposition habe ich natürlich gnadenlos ausgenutzt, um die User:innen mit meinen Texten zu beschallen. Nebenbei habe ich mich dramaturgisch im Drehbuchschreiben weitergebildet und mein Glück im Filmbiz versucht. Rückblickend war das aber ziemlich anstrengend, und ich war heilfroh, als sich plötzlich die Möglichkeit auftat, Kinderbücher zu schreiben. Mit und für Kinder zu arbeiten, ist mit Abstand das Beste, was mir bislang passiert ist. Im Prinzip bin ich wieder da angekommen, wo ich als Kind gestartet bin.

3. Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Es ist ein eigener Organismus, über den ich, den Traum von Ordnung nicht aufgebend, täglich neu staune.

Foto: © privat

4. Wann kommen dir die besten Ideen?

Als Ex-Werbetexterin kommen mir leider ständig und überall Ideen. Es ist quasi wie eine Berufskrankheit, und daher ist es überlebenswichtig für mich, dass ich Zeiten habe, in denen ich meditiere und bewusst keine Gedanken habe. Dann steigen manchmal aus den Tiefen die besten Ideen auf. Man darf aber nicht zu sehr darauf hoffen, sonst kommt natürlich nüscht.

5. Wie sollen die HeldInnen deiner Kinderbücher vor allem sein?

Ich habe jetzt wirklich sehr lange über diese Frage nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich sie nicht beantworten kann, weil ich sie super schwierig und zu intim finde. Aber da ich megapflichtbewusst bin, hier doch der Versuch einer Antwort:

Meine Held:innen sollen naturgemäß anders sein und gleichzeitig total normal. Ich hab ein großes Herz für Außenseiter und Randgruppen, liebe aber auch Klischees und Stereotype, die ich fröhlich brechen kann.

6. Träumst du manchmal von deinen Figuren? Und wie heißt deine Lieblingsfigur?

Ich hab noch nie von meinen Figuren geträumt – obwohl ich es eine Zeitlang drauf angelegt habe. Damals habe ich mich mit luzidem Träumen beschäftigt. Da geht es darum, sich im Traum bewusst zu werden, dass man gerade träumt. Damals wollte ich UNBEDINGT meinen Stoff im Traum weiterentwickeln. Hat aber nicht geklappt.

Zum Thema Lieblingsfigur kann ich als gute Schreibmutter natürlich nur sagen, dass ich alle meine Figuren gleich liebhabe, ist doch logisch.

7. Wem zeigst du als Erstes deine Texte?

Zuerst lege ich sie meinen Töchtern (11 und 7 Jahre) vor, meine strengsten Kritikerinnen. Die haben sich mittlerweile ein richtiges dramaturgisches Handwerk angeeignet und nehmen mich härter in die Mangel als jede Lektorin, die ich kenne. Dann liest seit fast 20 Jahren treu mein Mann – ich muss ihm mal kurz eine Kusshand rüberwerfen – alle meine Texte. Im nächsten Schritt schicke ich sie an meine weltbeste Agentin Christine Härle raus, bei längeren Geschichten hole ich mir zuvor die Meinung meiner Schreibgruppe ein.

 8. Machst du Lesungen oder Workshops mit Kindern? Fällt dir dazu ein Erlebnis ein?

Ich liebe Lesungen, auch wenn ich jedes Mal fix und fertig bin von dem ganzen Gewusele und der Lautstärke. Ich ziehe so was von den Hut vor allen Erzieher:innen und Lehrer:innen dieser Welt!

Einmal habe ich auf einer Lesung einer Schulklasse die Frage gestellt, was es denn bei ihnen zu essen gäbe, wenn sie über das Schulmenü bestimmen würden. Ich hatte aus meinem Bilderbuch „Die Prinzessin von Bestimm“ vorgelesen und die Kinder, fast alle mit geistiger und/oder körperlicher Beeinträchtigung, hatten sich bislang nur wenig beteiligt. Nach dieser Frage waren jedoch alle Meldefinger oben, und wir haben dann bis zum Ende der Lesung über nichts anderes mehr geredet. Sogar beim Rausgehen sind noch Kinder angekommen und haben mir ihre Essenswünsche durchgegeben. Das war so großartig. Wir haben alle sehr gelacht. Kinder an die Speisekartenmacht!

9. Was sollte sich in der Kinderbuchbranche grundlegend verbessern?

Wie soll man von der niedrigen Bezahlung für ein Buch leben? Warum verdienen die Urheber:innen am wenigsten an den Büchern? Warum gibt es so wenig Stipendien, Förderungen und Preise im Kinderbuchbereich, wo sich doch wirklich alle darauf einigen könnten, wie wichtig Bücher für unser Kinder sind? Fragen über Fragen.

10. Wie hieß das erste Kinderbuch, das von dir erschien, und was ist deine jüngste Neuerscheinung auf dem Buchmarkt?

Mein erstes Bilderbuch hieß „Das Regenmädchen“ und wurde 2013 veröffentlicht. Die Illustrationen stammen von meiner Freundin Lucie Göpfert.

Dieses Jahr erscheint bei Annette Betz mein Bilderbuch „Die gestohlene Weihnachtsgans“ mit Bildern von Andrea Stegmaier und nächstes Jahr im Carlsen Verlag das Bilderbuch „Ich bin abgeholt!“.