Schreiben oder Nichtschreiben …

Über Schreiblust und Schreibfrust in pandemischen Zeiten

© Till Hülsemann

Von Salah Naoura (Text) und Katja Spitzer (Illustrationen)

Interessant ist ja immer, wie NichtautorInnen sich den Prozess des Schreibens vorstellen. Zum Beispiel: „Sie haben sicher Kinder, das inspiriert Sie dazu, für Kinder zu schreiben.“ (Nein, beides trifft nicht zu.) Oder: „Jetzt, im Lockdown, gehen Ihnen sicher die Ideen aus, weil ja einfach nichts mehr passiert. Da fehlen die Inspirationsquellen.“ (Nein, Ideen habe ich genauso viele wie sonst – nur fehlt mir die Energie, sie umzusetzen.)

Als letztes Jahr der erste Lockdown begann, lautete mein schlauer Plan: „Die Zeit, die mir durch ausfallende Lesungen zur Verfügung steht, nutze ich zum Schreiben – und wenn Corona dann vorbei ist, habe ich zwei oder drei Kinderbücher geschrieben und kann sie aus dem Hut zaubern.“ Der Plan ging doppelt nicht auf. Corona ist noch lange nicht vorbei, und von Schreiben kann bei mir keine Rede sein, weil es derzeit absolut nicht funktioniert. Ich habe drei oder vier Texte angefangen und nichts davon beendet. Ich fühle mich beim Schreiben wie Professor Hastig aus der Sesamstraße, der nach jedem zweiten Satz einschläft … Und was Corona angeht, komme ich mir vor wie Cinderella, die nach dem Ball bei Hofe festsitzt und auf ihre Rückverwandlung wartet, weil der Zeiger der Kirchturmuhr kurz vor Mitternacht leider stehengeblieben ist. Dabei wollen sicher auch Cinderellas irgendwann ganz gern zurück in ihren Alltag und endlich mal wieder Erbsen zählen. (Na ja, der Vergleich hinkt, da Cinderellas Erbsenzählerei ja keine frei gewählte Tätigkeit war.)

Mehr lesen

Irgendwo zwischen Wahnsinn und wahnsinnig wichtig

© Ilke S. Prick

Von Ilke S. Prick

„Ich verstehe, wenn Sie nicht zusagen, aber für die Kinder wäre es großartig!“ Nicht zum ersten Mal im letzten Herbst gab es innerhalb eines Satzes diesen Spagat. Auf der einen Seite die Kinder, auf der anderen ich, mit sämtlichen Corona-Mahnungen im Ohr. Dazwischen, im Telefonhörer, eine nette Bibliothekarin, die für Schulveranstaltungen noch Gelder hatte und den Enthusiasmus besaß, diese auch in Krisenzeiten auszuschütten. Sämtliche Kultur-Events waren bereits abgesagt, die Schulen hangelten sich durch Quarantäne-Szenarien und Ampelsysteme, doch waren hier Lesungen und Werkstätten noch möglich, da wir, die wir Kinderbücher schreiben und illustrieren, nicht nur als Kultur gelten, sondern auch pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden können. Was sollte ich also machen?

Schreibwerkstatt im Lesekeller der Adolf-Glaßbrenner-Grundschule
Mehr lesen

Prost Neujahr!

© Constanze Guhr


Hoch die Gläser, wunderbar,
vorbei ist dieses miese Jahr
mit Wellen und dem Wort mit C
in dieser Stadt hier an der Spree.
Auf dass das neue nicht wie’s alte
viele Locks und Downs enthalte,
sondern Tage, dann und wann,
wo man sich mal treffen kann.
Wir wünschen euch auf allen Wegen,
Kolleginnen sowie Kollegen,
nur das Beste, bleibt gesund,
möglichst guten Mutes … UND
dichtet oder zeichnet heiter
auch Zwanzig-Einundzwanzig weiter!

(Salah Naoura)

Wie ich dieses Jahr zum Online-Vorleser wurde


© Susanne T. Müller

Von Martin Muser

2019 war für mich beruflich gesehen ein tolles Jahr. Zwei Kinderbuchveröffentlichungen, viele Anfragen für Lesungen, Festivaltouren kreuz und quer durch Deutschland. 2020 sollte es so weitergehen, dann kam Corona. Nach meiner letzten Lesung Ende Januar bröckelte Stück für Stück alles weg: Bibliotheken, Schulen, Festivals … Im Juni wollte ich eine Buchpremiere feiern, und auf der Leipziger Buchmesse sollte ich zum Lesekünstler des Jahres gekürt werden … alles perdu. Stattdessen bekam ich Anfragen für Online-Lesungen, die erste Mitte März von meinem Verlag (Carlsen). Zehn Minuten reichen, bitte Querformat und halbnah in die Kamera. Ich setzte mich vor mein Smartphone und nahm mich auf. Erst zu zappelig, dann zu onkelhaft. Nach fünf Takes verschickte ich zehn Minuten, die mir passabel erschienen. Heute fällt es mir schwer, die Lesung anzuschauen. Reichweite? 994 Abrufe und 14 Likes.

Die nächste Leseanfrage kam gleich hinterher: Initiiert von Kirsten Boie, NDR, SWR und den Verlagen sollten Kinderbuchautor*innen für die im Lockdown festsitzenden Kinder lesen. Die Einladung erschien mir wie ein Ritterschlag. Doch die Aussicht, dass das Ganze live sein sollte, verursachte Schweißausbrüche und Herzrasen. Hinzu kam, dass ich die nötige Technik selber organisieren musste (war ja Lockdown). Ich lieh mir das besonders leistungsfähige Notebook meiner Tochter, ein extralanges LAN-Kabel, verband alles mit dem Router und bastelte mir im Wohnzimmer ein Studio zusammen. (Untersicht vermeiden! Weiches Licht!)

Ankündigung der ersten Online-Lesung © Martin Muser, SWR/NDR
Mehr lesen

Operation Herzensprojekte

© Fotocenter Berlin

Von Kathrin Köller

Im Frühjahr 2019 hat sich Kristina Heldmann für die Kunst entschieden. Mal wieder. Dabei hatte die Illustratorin gerade einen PR-Job angenommen, damit mal ein bisschen Geld in die Familienkasse fließt. Doch ein kleiner, aber feiner Verlag will ihr Buch verlegen. Ein Kunstsachbuch soll es werden, das Klimawandel und Klimaschutz für Kinder ansprechend erklärt. Ein Herzensprojekt. Für die Zukunft der Kinder hängt Kristina Heldmann den Brotjob an den Nagel und verschreibt sich ganz der Kunst. Und der Wissenschaft. Denn weil das Honorar schon für eine Person nicht reicht, übernimmt die Künstlerin auch die Autorenrolle, interviewt Wissenschaftler und macht daraus knackige, für Kinder verständliche Texte. Wie sie über die Runden kommt, stellt sie hinten an. Sie arbeitet ohne Unterlass, denn irgendwann, wenn das Buch erscheint, dann ist das ihr Lohn.

Mehr lesen