In Echtzeit

Digitale Formate für Autor*innenlesungen

© Lenka Grossmannova

Von Rike Reiniger

Online-Autor*innenlesungen sind etwas anderes als Begegnungen in Präsenz – so viel war schon kurz nach Beginn der Pandemie klar. Aber welche Bedingungen lassen eine digitale Lesung inspirierend werden? Was sind die besten künstlerischen Formate und die notwendigen technischen Voraussetzungen für Online-Veranstaltungen?

Dem wollten wir als Friedrich-Bödecker-Kreis Berlin mit dem Projekt „In Echtzeit“ nachgehen. Grundidee war, Leseformate für Konferenztools zu entwickeln, bei denen die digitale Kopräsenz von Autor*in und Kindern mit vorproduzierten digitalen Inhalten kombiniert wird. Im Rahmen des Projekts konnten sich Autor*innen und Medienkünstler*innen überregional zusammenfinden, um mit solchen Formaten zu experimentieren.

Als Einstieg bekamen alle Beteiligten eine thematische Einführung von Dorit Linke, die als eine von wenigen Kolleg*innen unabhängig von der Pandemie schon seit 2019 online Lesungen anbietet. Außerdem standen ein Technik-Pool und ein Ansprechpartner für technischen Support zur Verfügung. Die folgenden Arbeitsprozesse in den einzelnen Teams verliefen sehr unterschiedlich. Zum Teil konnten sich Autor*in und Medienkünstler*in auf eine Umsetzung verständigen, zum Teil waren es längere kreative Auseinandersetzungen, und in einem Fall entsprachen die Erwartungen des Autors nicht den Möglichkeiten des Projekts, sodass der Kollege leider ausgestiegen ist.

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Wie ich dieses Jahr zum Online-Vorleser wurde


© Susanne T. Müller

Von Martin Muser

2019 war für mich beruflich gesehen ein tolles Jahr. Zwei Kinderbuchveröffentlichungen, viele Anfragen für Lesungen, Festivaltouren kreuz und quer durch Deutschland. 2020 sollte es so weitergehen, dann kam Corona. Nach meiner letzten Lesung Ende Januar bröckelte Stück für Stück alles weg: Bibliotheken, Schulen, Festivals … Im Juni wollte ich eine Buchpremiere feiern, und auf der Leipziger Buchmesse sollte ich zum Lesekünstler des Jahres gekürt werden … alles perdu. Stattdessen bekam ich Anfragen für Online-Lesungen, die erste Mitte März von meinem Verlag (Carlsen). Zehn Minuten reichen, bitte Querformat und halbnah in die Kamera. Ich setzte mich vor mein Smartphone und nahm mich auf. Erst zu zappelig, dann zu onkelhaft. Nach fünf Takes verschickte ich zehn Minuten, die mir passabel erschienen. Heute fällt es mir schwer, die Lesung anzuschauen. Reichweite? 994 Abrufe und 14 Likes.

Die nächste Leseanfrage kam gleich hinterher: Initiiert von Kirsten Boie, NDR, SWR und den Verlagen sollten Kinderbuchautor*innen für die im Lockdown festsitzenden Kinder lesen. Die Einladung erschien mir wie ein Ritterschlag. Doch die Aussicht, dass das Ganze live sein sollte, verursachte Schweißausbrüche und Herzrasen. Hinzu kam, dass ich die nötige Technik selber organisieren musste (war ja Lockdown). Ich lieh mir das besonders leistungsfähige Notebook meiner Tochter, ein extralanges LAN-Kabel, verband alles mit dem Router und bastelte mir im Wohnzimmer ein Studio zusammen. (Untersicht vermeiden! Weiches Licht!)

Ankündigung der ersten Online-Lesung © Martin Muser, SWR/NDR
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