Hoch die Gläser, wunderbar, vorbei ist dieses miese Jahr mit Wellen und dem Wort mit C in dieser Stadt hier an der Spree. Auf dass das neue nicht wie’s alte viele Locks und Downs enthalte, sondern Tage, dann und wann, wo man sich mal treffen kann. Wir wünschen euch auf allen Wegen, Kolleginnen sowie Kollegen, nur das Beste, bleibt gesund, möglichst guten Mutes … UND dichtet oder zeichnet heiter auch Zwanzig-Einundzwanzig weiter!
Vor zehn Jahren haben die bildende Künstlerin Anna Adam und ich das erste gemeinsame Kinderbuch publiziert: „Beni, Oma und ihr Geheimnis“ bildet den Auftakt unserer Reihe um den achtjährigen, in Berlin lebenden Beni. Mein Sohn war damals ungefähr so alt wie Beni. Ich wollte, dass er mit Büchern aufwächst, in denen jüdisches Leben selbstverständlich und alltäglich ist. In Anna Adam fand ich eine tolle Künstlerin mit Humor und ausgefallenen Ideen sowie eine Gesprächspartnerin, um die Beni-Reihe gemeinsam zu entwickeln. Im Frühjahr 21 wird unser vierter Band, „Beni und Oma in den Gärten der Welt“, erscheinen.
Vor zehn Jahren waren jüdische Kinder in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur mit wenigen Ausnahmen (z.B. das wunderbare Jugendbuch „Prinz William, Maximilian Minsky und ich“ von Holly-Jane Rahlens) entweder tot wie Anne Frank, oder sie entkamen nur knapp der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Sie lebten weit weg von Deutschland und/oder in fernen Zeiten. Auch gab es Kinderbücher, die über das Judentum und die jüdische Religion aufklären. Wo aber waren Geschichten über heutigen jüdischen Alltag in Deutschland? Beispielsweise über einen achtjährigen Jungen, der von den Großeltern zwar einiges über den Holocaust erfährt, dem aber seine Autorennbahn und die von ihm gemalten Piratenbilder wichtiger sind? Ein Junge, der sich bei einem Skateboard-Unfall das Knie aufschlägt, bei seinem Freund übernachtet und im dritten Band, nun als Zehnjähriger, in Sophie verliebt ist?
An den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten des Abgeordnetenhauses Berlin und die Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Die Berliner Spreeautoren (ein Zusammenschluss von über hundert in Berlin lebenden Kinderbuchschaffenden) und das Literaturhaus Berlin regen hiermit nachdrücklich die Einführung eines Arbeitsstipendiums an, das sich ausschließlich an Berliner Kinder- und JugendbuchautorInnen richtet. Am 3. Mai 2019 ging dazu ein Schreiben an Dr. Lederer, in dessen Folge es zu zwei Treffen mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa kam. Im Folgenden möchten wir die Argumente, die die Dringlichkeit einer Vergabe von Arbeitsstipendien an KJL-AutorInnen begründen, noch einmal zusammenfassen:
– Kinder- und JugendbuchautorInnen leisten in Deutschland mit ihren Lesungen und Workshops an Schulen, in Bibliotheken und auf Festivals den weitaus größten außerschulischen Beitrag zur Leseförderung. Mit ihren Auftritten begeistern sie junge Menschen fürs Lesen, bringen ihnen Literatur näher und vermitteln Einblicke in das Berufsfeld Kultur.
– Doch nicht nur das: Viele der AutorInnen leiten SchülerInnen auch zum kreativen Schreiben an, ein wichtiger Grundpfeiler, um Sprachkompetenz in jeglicher Form bei Kindern und Jugendlichen zu verbessern und sie damit für elementare Grundfertigkeiten, deren Fehlen von Ausbildern und Arbeitgebern zunehmend beklagt wird, im späteren Berufsalltag zu rüsten. (Vgl. hierzu Kirsten Boies Aufruf „Jedes Kind muss lesen lernen!“)
2019 war für mich beruflich gesehen ein tolles Jahr. Zwei Kinderbuchveröffentlichungen, viele Anfragen für Lesungen, Festivaltouren kreuz und quer durch Deutschland. 2020 sollte es so weitergehen, dann kam Corona. Nach meiner letzten Lesung Ende Januar bröckelte Stück für Stück alles weg: Bibliotheken, Schulen, Festivals … Im Juni wollte ich eine Buchpremiere feiern, und auf der Leipziger Buchmesse sollte ich zum Lesekünstler des Jahres gekürt werden … alles perdu. Stattdessen bekam ich Anfragen für Online-Lesungen, die erste Mitte März von meinem Verlag (Carlsen). Zehn Minuten reichen, bitte Querformat und halbnah in die Kamera. Ich setzte mich vor mein Smartphone und nahm mich auf. Erst zu zappelig, dann zu onkelhaft. Nach fünf Takes verschickte ich zehn Minuten, die mir passabel erschienen. Heute fällt es mir schwer, die Lesung anzuschauen. Reichweite? 994 Abrufe und 14 Likes.
Die nächste Leseanfrage kam gleich hinterher: Initiiert von Kirsten Boie, NDR, SWR und den Verlagen sollten Kinderbuchautor*innen für die im Lockdown festsitzenden Kinder lesen. Die Einladung erschien mir wie ein Ritterschlag. Doch die Aussicht, dass das Ganze live sein sollte, verursachte Schweißausbrüche und Herzrasen. Hinzu kam, dass ich die nötige Technik selber organisieren musste (war ja Lockdown). Ich lieh mir das besonders leistungsfähige Notebook meiner Tochter, ein extralanges LAN-Kabel, verband alles mit dem Router und bastelte mir im Wohnzimmer ein Studio zusammen. (Untersicht vermeiden! Weiches Licht!)
Nun, das stimmt nicht so ganz, denn natürlich begann meine enge Beziehung zum Radio sehr viel früher. Als Kind war unser Radio für mich ein Zauberkasten. Lange war ich davon überzeugt, dass darin winzige Menschen steckten, die sprachen, sangen, musizierten. So wie das Engelsorchester auf Opas Weihnachtspyramide stellte ich mir auch das Orchester im Radio vor. (Allerdings ging ich nicht davon aus, dass der Pianist mit nacktem Hintern vor dem Flügel saß wie der Holzengel aus dem Erzgebirge.) Jeden Sonntagmorgen Punkt zehn ertönte: „Der Onkel Tobias vom RIAS ist da!“ Einmal im Monat gab es ein Hörspiel, ein Kasperlestück, das ich liebte, an den anderen Sonntagen waren die RIAS-Kinder bei Onkel Tobias zu Gast und erzählten oder sangen irgendwas. Ich fand es öde und bin bis heute davon überzeugt, dass Kinder das, was Gleichaltrige machen oder sagen, selten interessant finden. (Das glauben vielleicht Programmverantwortliche, weil es so schön billig ist, Kindern ein Mikro vor die Nase zu halten.) Nein, Kinder wollen Geschichten hören, gern auch die der Erwachsenen. Ich erinnere mich, wie ich so tat, als schliefe ich, wenn die reißerische Erkennungsmelodie von „Es geschah in Berlin“ ertönte, damit meine Eltern bloß nicht auf die Idee kamen, das Radio abzustellen. Verstanden habe ich kaum etwas, genossen habe ich es trotzdem.